Tommy Haas: „Bei den Grand Slams bin ich Traditionalist“

Tommy Haas (photo: Phil Semelink)

International Blog – Dietmar Kaspar 

Mit dem Herren-30-Team des TC Großhesselohe peilt Tommy Haas aktuell die Tabellenspitze in der Bundesliga Süd an. Im Interview spricht der ehemalige Weltranglisten-2. unter anderem über die aktuellen Bestrebungen neuer Grand-Slam-Nationen und den letzten Schritt von Alexander Zverev zum Grand-Slam-Titel.

Für Ästheten scheint das Tennis von Tommy Haas beinahe zeitlos zu sein. Im Dress der Herren-30-Mannschaft des TC Großhesselohe demonstrierte der 47-jährige im Spitzenspiel gegen den SV Dresden Mitte zum Genuss der heimischen Zuschauer sein gesamtes Schlagrepertoire, garniert mit seiner einhändigen Rückhand, das ihn bis auf Position 2 in der Weltrangliste führte. Und auch in der Herren-30-Bundesliga, wo er am kommenden Samstag mit seinem Team gegen den Karlsruher ETV die Tabellenspitze erklimmen möchte, ist sein Ehrgeiz ungebrochen. Nach seinem glatten 6:1, 6:1-Sieg gegen den Tschechen David Sodek, das den deutlichen 7:2-Sieg für sein Team einleitete, stellte sich der 15-fache ATP-Titelträger im ausführlichen Interview zur Verfügung.

Dietmar Kaspar: Herr Haas, Sie bestreiten die fünfte Saison für den TC Großhesselohe in der Herren-30-Bundesliga. Beschreiben Sie mal das Gefühl, für solch einen Club anzutreten, gerade auch in Bezug auf das 100-jährige Vereinsjubiläum?

Tommy Haas: Es ist schon etwas ganz Besonderes, hier für die Herren 30 in der Bundesliga spielen zu können und somit auch ein Teil der bereits 100-jährigen Geschichte des Vereins zu sein. Ich konnte ja hier in der Vergangenheit auch in der 1. Herren-Bundesliga für den TCG aufschlagen. Somit ist es immer wieder schön, zu diesem traditionellen Club im Süden von München zurückzukehren und dabei auch meine Eltern und Geschwister zu sehen. Ich freue mich auch, wenn meine Kinder bald nachkommen und diese etwas von der Kultur hier mitbekommen. Zudem verstehe ich mich mit den Jungs im Team hervorragend und wir versuchen immer, eine schöne Zeit zu haben und dabei sportlich das Beste herauszuholen

Sie leben schon lange in den USA. Gibt es dort auch solche Clubs bzw. wie findet Tennis diesbezüglich in den Staaten statt?

Es gibt in den USA andere Clubs, in denen man aber auch als Mitglied dabei ist. Da gibt es wunderschöne Clubs, einer schöner als der andere, die aber nicht so diese Tradition und die Kultur haben wie in vielen Ländern Europas. Diese Clubs bestreiten auch keine Matches gegen andere Vereine. Das verlagert sich dann mehr ins College-Tennis, wo die verschiedenen Universitäten gegeneinander antreten und dabei ihren Stolz und ihre Tradition pflegen.

Die USA haben aktuell eine große Dichte an erfolgreichen Profispieler:innen. Liegt das an den riesigen Einnahmen als Grand-Slam-Nation nach dem Motto im Fußball „Geld schießt Tore“ oder macht die USTA auch Sachen richtiger als andere Verbände wie z.B. in Deutschland?

Es hat meiner Meinung nach nicht unbedingt damit zu tun. Wir haben hier in Deutschland eigentlich auch unglaubliche Voraussetzungen. Wir sind hier in einem der Länder, wo das Leben sehr schön ist und einem auch viele Möglichkeiten geboten werden. Dies führt natürlich zwangsläufig dazu, dass man auch etwas bequem wird. Umso mehr benötigt man hier auch selbst die richtige Einstellung für den Profisport, egal woher man kommt. Es sind natürlich einige Länder im Osten nennen, wo das anders ist. Da haben viele den Traum, mal rauszukommen oder woanders zu leben und gehen diesem Ziel deswegen etwas härter und intensiver nach.

Bei den deutschen Herren gibt es vielversprechende Talente. Wie ist Ihre Einschätzung diesbezüglich?

In Deutschland warten wir natürlich darauf, dass junge Spieler wieder für Furore auf der Tour sorgen können. Wir haben ja den Justin Engel, der noch relativ jung aber schon sehr griffig und bissig ist, das sieht richtig gut aus. Diego Dedura hat in München gut gespielt und war sehr entertaining. Vielleicht nach seinem Aufgabe-Sieg dort eine Spur zu entertaining, aber das sehe ich eher positiv, denn das unbedingte Wollen um weiterzukommen ist entscheidend. Auch Max Schönhaus ist ein guter Spieler, der viele Möglichkeiten hat. Ich bin gespannt, was die Jungs in der Zukunft so bringen.

Angelo Binaghi als Präsident des italienischen Tennisverbands fordert die Vergabe eines Grand-Slam-Turniers nach Italien und mit Gerard Tsobanian bringt der CEO des Turniers in Madrid eine Art „Super-Slam“ im Verbund mit dem Turnier in Rom ins Spiel, für das er sogar den blauen Sand-Belag wieder thematisiert. Auch Ihr Turnier in Indian Wells wird ja schon seit vielen Jahren als 5. Grand Slam betitelt. Sollte die Vergabe der Majors auf den Prüfstand gestellt werden?

Ich bin da generell schon sehr traditionell eingestellt, gerade mit den vier Grand-Slam-Turnieren. Es wurde ja schon öfters gesprochen, ob es nicht mal einen fünften Slam geben sollte analog dem Golf, die ja neben ihren Vier Slams mit dem PGA-Tour-Event noch einen fünften Slam haben. Für uns in Indian Wells ist es natürlich positiv, dass wir eh schon als 5. Slam zählen und die Spieler dies aufgrund unserer tollen Anlage auch kundtun. Wir waren auch eines der ersten Masters-Turniere, die über 12, 13 Tage gehen und es war natürlich nur eine Frage der Zeit, wann die anderen Masters-Events diesbezüglich nachziehen. Letztendlich muss man sehen, was am meisten zieht und wer diesbezüglich die Entscheidungen trifft. So einen „Super-Slam“ kann ich mir fast nicht vorstellen, da dann die anderen Masters-Veranstalter auch etwas dazu zu sagen hätten, unter anderem ja auch wir. Wenn es mit einem weiteren Slam konkret würde, wären wir in Kalifornien sicher weit vorne im Gespräch.

Alexander Zverev war mit drei Grand-Slam-Finals schon ganz dicht am großen Coup dran. Wie groß sehen Sie noch den letzten Schritt und was fehlt ihm Ihrer Meinung nach noch dazu?

Zum einen muss man natürlich anerkennen, dass er bislang schon eine unglaubliche Karriere abgeliefert hat und das Einzige, was wirklich noch fehlt, ist der Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier. Ich glaube, er weiß selber genau, was er da noch zu tun hat. Er war ja schon oft sehr weit bei einem Major, gerade auch im letzten Jahr bei den French Open, was er auch selbst zu seinem Favoriten-Slam zählt. Ich denke, bei ihm ist es zuletzt auch etwas zur Kopfsache geworden. Wir wissen alle, dass er das Spiel dazu hat. In Paris müsste er auf dem Weg zum Titel wohl durch Alcaraz und Sinner gehen, was natürlich eine unglaublich schwierige Aufgabe ist. Aber wenn er sich bei dem Turnier soweit durchspielen kann, ist er einer der wenigen, die es außer den beiden schaffen können. Im Finale der Australian Open hat er mit Sinner einfach gegen einen besseren Spieler verloren. Meines Erachtens hat er da noch etwas zu passiv gespielt. Aber wenn er da zukünftig mit etwas mehr Aggressivität und Risiko zur Sache geht, sollte es mit dem Traum vom Grand-Slam-Titel bald klappen.

Mit der Titulierung „Bester Spieler ohne Grand-Slam-Titel“ wurde auch oft Ihr Name in Verbindung gebracht. Empfinden Sie das nachträglich als Wertschätzung oder ist so ein Vergleich eher nervig?

Es ist aus meiner Sicht schon sehr positiv, wenn Fans oder Experten meine Karriere so einstufen. Natürlich denke ich auch selber daran, wenn ich vielleicht nicht so oft verletzt gewesen wäre oder länger drangeblieben wäre, ob sich dann die Chance auf den Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier aufgetan hätte. Durch gewisse Situationen habe ich es halt leider nicht geschafft und gehöre damit bestimmt zu einem Kreis von ca. 10 Spielern, die einen Slam hätten gewinnen müssen oder sollen. Sascha gehört da aktuell natürlich auch dazu, aber er hat ja hoffentlich noch mindestens sieben oder acht Jahre, um sein Ziel zu erreichen. Aber es wird mit der Zeit natürlich nicht einfacher.

Sie haben mal einen Testlauf als Trainer mit dem Franzosen Luca Pouille unternommen. Können Sie sich vorstellen, als Full-Time-Coach auf die Tour zu gehen?

Im Moment kann ich mir das eigentlich nicht so vorstellen. Ich versuche meine Zeit bestmöglich für meine Kinder zu nutzen und bin da der Daddy und der Coach fürs Leben. Generell bin ich ja auch immer vom Ehrgeiz gepackt und wenn ich eine solche Rolle als Coach übernehmen würde, für die es ja auch schon einige Anfragen gab, dann würde ich das voll übernehmen. Das wären dann aber wieder gut 40 Wochen im Jahr, wo man mit dem Spieler unterwegs ist oder zusammen trainiert. Momentan bin ich noch nicht bereit dafür, aber wer weiß, was in ein paar Jahren diesbezüglich passiert. Ich liebe diesen Sport, kenne mich da ja ganz gut aus und kann diesbezüglich vielleicht bei einem Spieler oder einer Spielerin mit Ehrgeiz und Biss irgendwann mal behilflich sein.

Dann wünschen wir Ihnen viel Erfolg bei den kommenden Aufgaben und vielen Dank für das Interview.